Jugend-WM Endbericht von Wolfgang Krüger

Nach Beendigung der Jugendweltmeisterschaft in Antalya hat Wolfgang Krüger über die Teilnahme von Inga Marx einen Endbericht verfasst:

10.11.09

Mitten in der Nacht, um 4:30 Uhr, beginnt unser „Abenteuer Weltmeisterschaft“!

Damit von Anfang an keine Langeweile aufkommt, benutzen wir auf unserem Hinweg alle möglichen Verkehrsmittel – Auto, Bahn, Taxi, Flugzeug und Bus. Nach einem sehr unruhigem Flug durch einige Gewitter landen wir schließlich um 15:15 Uhr (Ortszeit) in Antalya. Dort wartete tolles Wetter, 23 Grad und Sonnenschein. Nach einigen Diskussionsrunden mit den Transferverantwortlichen erreichen wir endlich um 17:15 unser Hotel Daimer in Kemer. Es folgen Anmeldung, Fotos, Informationsaustausch und allgemeines Durcheinander. Um 19:00 Uhr ist Nahrungsaufnahme angesagt, endlich! Es war eine kluge Entscheidung, einen Tag vor der Eröffnung und der ganzen „Meute“ anzureisen.

11.11.09

Vorbei ist’s mit dem schönen Wetter, es regnet „junge Hunde“! Die Hotelanlage gleicht einem Ameisenhaufen, kein Wunder bei fast 3500 Teilnehmern, Verwandten und Begleitern. Wir haben Zeit bis zum Abend und sehen uns ein bisschen im Hotel um, begutachten den Strand und das Meer. Heute bekommt Inga eine Zimmergenossin, Diana Hannes aus Erfurt (Deutsche Meisterin U18). Diana ist ein tolles nettes Mädchen, wie Inga, die beiden verstehen sich prächtig. Die Aufregung steigt, um 20 Uhr beginnt die Weltmeisterschaft mit der Eröffnungsfeier. Türkische Volkstänze, Musik und Showeinlagen erfreuen die Gäste, bis jedes teilnehmende Land durch seine Landesfahne begrüßt wird. Dann folgt der meist ungenehme Part einer solchen Veranstaltung, die obligatorischen und wichtigen Reden, doch insgesamt zwei Stunden gelungene Unterhaltung. Während die Spieler danach relaxen können, ist um 22 Uhr das „Technical Meeting“ für die Trainer und Betreuer angesetzt. Gehört dazu, muss leider auch sein.

12.11.09

15 Uhr, endlich kann Inga loslegen. Die erste von elf Runden beginnt mit weiß gegen die an Nr. 14 gesetzte Alina Pivol aus Russland (ELO 2031 ). Es entwickelt sich eine interessante Partie. Inga gewinnt nach 25 Zügen, bei sehr guter Stellung, durch eine kleine Kombination einen Bauern, um dann nach einer Unachtsamkeit eine Qualität zu verlieren. Selbst danach ist der Partieausgang sehr lange völlig offen. Nach 70 Zügen verliert sie dann leider die Partie. Eine sehr unglückliche Niederlage, wie die anschließende Analyse zeigt.

13.11.09

Heute beginnt unser Tag mit einem ausgiebigen Frühstück um 9:30 Uhr. Anschließend bereiten wir uns bis zum Mittag auf Ingas nächste Gegnerin vor. Ein Spaziergang am Strand ist zeitlich noch drin, die zweite Runde beginnt pünktlich. Die Auslosung beschert uns eine Gegnerin aus Kenia, Rivani Shah (ELO 1891), die schon das zweite Mal an der WM teilnimmt. Diese Partie verläuft lange ausgeglichen. Nach ca. 30 Zügen kann sich Inga Vorteile erspielen, um diese nach 58 Zügen in einen vollen Punkt umzusetzen. Passend dazu strahlt heute wieder die Sonne.

Inga Marx

Inga Marx

14.11.09

Die heutige ausgefeilte Vorbereitung brachte nicht den gewünschten Erfolg, leider hat Inga die dritte Runde gegen Burca Sasmazel aus dem Gastgeberland (Elo 1891) verloren. Nach der Eröffnung entstand eine ausgeglichene Stellung und Inga entschloss sich zu einer passiven Fortsetzung. Dies war die falsche Entscheidung, ihre Gegnerin wurde angriffslustiger und siegte nach einer guten „Vorstellung“. Übrigens gewöhnen wir uns allmählich an das türkische Essen, greifen trotzdem lieber nach Altbekanntem – Nudeln oder Pommes!

15.11.09

In Runde 4 wartet die Inderin Krishna S. Anjana (Elo 1908). Wieder startet Inga gut und erspielt sich positionelle Vorteile. Als sie es versäumt einen Bauern auf dem Damenflügel ihrer Gegnerin zu erobern, kippt die Stellung zusehends. Dennoch lehnt Inga nach 40 Zügen das Remiseangebot ihrer Gegnerin ab. Ihre Kampfeslust wird nicht belohnt. Sie verzockt im weiteren Partieverlauf die Stellung!!! Dieser Partie verlässt sie nach 60 Züge mit null Punkten. Ingas Siegeswille ist trotzdem ungebrochen, wir vergreifen uns erst mal am Frust-Abendbuffett und beginnen mit der Analysearbeit!

16.11.09

Inga hat heute Geburtstag!!! Diana und meine Wenigkeit haben schon das Happy Birthday als Duett auf den Lippen, doch Inga ersparte uns diese Peinlichkeit und sich selbst die akustische Folter! Törtchen sind nicht aufzutreiben, dafür gibt es Sonnenschein, Schokolade, Kuchen und kleine Geschenke, sowie die nötige Vorbereitung auf die fünfte Runde. Rundenbeginn ist um 10:00 Uhr, Inga trifft mit schwarz auf Daly Ghalia aus Tunesien. Mit der von uns vorbereiteten Eröffnungsvariante kommt Daly überhaupt nicht zurecht. Sie wird von Inga an die Wand gespielt. Inga kassiert zwei Bauern und hat dann eine eigentlich glatt gewonnene Stellung  –  eigentlich  –  es folgt ein jungendliches Blackout, Ingas Stellung gleicht einer Ruinenlandschaft und der sicher geglaubte Punkt ist futsch. Das nennt man wohl „Erfahrung sammeln“! Da gibt’s nur eins, Frustschokolade anstatt Vorbereitung. Am Nachmittag findet die sechste Runde statt und Inga hat wieder schwarz. Gegen Mari-Jeanne Jonker aus Süd-Afrika dümmpelt die gesamte Partie langweilig vor sich hin. Die logische Konsequenz war ein Remiseangebot nach 38 Zügen. Aus Erfahrung klug geworden, nimmt Inga das Angebot an. Jetzt hat sie 1,5 von 6 möglichen Punkten.

17.11.09

Wir haben einen freien Tag! Gammeln, faul sein, Sonnenbaden, die Seele baumeln lassen, das alles machen wir natürlich nicht! Wir nutzen den Tag für intensive Partieplanung und gönnen uns am Nachmittag das „türkische Bad“ (Gesichtsmaske, Peeling, Massage mit warmen Steinen, Schlammbad). Natürlich nur zur Entspannung!

18.11.09

In der siebten Runde sitzt Inga einer Spielerin mit Namen Tjin Li Hoh aus Malaysia gegenüber. Inga bekommt „Russisch“ aufs Brett. Die Partie verläuft ausgeglichen bis Tjin Li im 33. Zug ein überraschendes Qualitätsopfer enttarnte. Daraufhin muss Inga lange die schwierige Stellung verteidigen, was ihr aber letztlich gelang, Remise nach 48 Zügen.

19.11.09

Runde 8 mit schwarz gegen Ekaterina Beshukova aus Russland bedeutet, die nächste harte „Nuß“ zu knacken. Doch Vorbereitung ist alles, Erfahrung sammeln auch und schließlich sind wir ja nicht zu unserem Vergnügen hier! Nach gewohnt guter Eröffnung konnte Inga positionelle Vorteile verbuchen. Leider verdattelt sie ab dem 20 Zug einen dreizügigen Figurengewinn. Danach endet die Partie recht schnell. Nach 28 Zügen einigen sich die „Ladies“ auf Remise. Schade eigentlich, da wäre mehr drin gewesen! Frustschokolade??? – nein, heute nicht!

20.11.09

Heute, Freitag, ist Ingas großer Tag. Vormittags findet eine gute Vorbereitung auf Laura Orlina (Lettland) statt und um 15 Uhr ist Rundenbeginn. Laura durchschaut unsere Taktik nicht und läuft voll in unsere vorbereitete Variante. Lange Rochade, Bauernopfer im 15 Zug, diese „Löcher“ sind nicht mehr zu stopfen! Nach 21 Zügen ist alles vorbei, Inga hat grandios gewonnen. Eine sehr gradlinig vorgetragene Stellungsbehandlung bis zur Vollendung. „Ingas Trainer“ ist voller Stolz und Begeisterung! – Und Inga natürlich auch.

Wolfgang Krüger, Inga Marx und Diana Hannes (v. links)

Wolfgang Krüger, Inga Marx und Diana Hannes (v. links)

21.11.09

Auch in Runde 10 hält der Aufwärtstrend an! Gegen Melisa Birgelir aus der Türkei ( ELO 1816 ) schlägt Inga erneut zu. Nach solider Eröffnung erspielt sie sich positionelle Vorteile. Sie zerlegt im 19. Zug das Bauernzentrum ihrer Gegnerin mit einem Läuferopfer, das Merlisa aber nicht annehmen kann. Daraus ergibt sich eine Stellung mit Mehrbauer und Druckspiel, die Inga dann nach 28 Zügen einen vollen Punkt einbringt. Dies ist ein Sieg gegen eine Gegnerin die deutlich vor Inga gesetzt ist, scheinbar läuft Inga jetzt im Endspurt zur Höchstform auf. Morgen am Sonntag startet die letzte Runde, ein Sieg zum Abschluss wäre nicht schlecht. Vermutlich kann Inga das Wort „Vorbereitung“ inzwischen nicht mehr hören.

22.11.09

Die elfte und letzte Runde ist angesagt, natürlich nach der geliebten Vorbereitung. Hochmotiviert geht Inga gegen Dinushki Premanath ( ELO 1818 ) aus Syrien ans Brett, die wiederum vor Inga gesetzt ist. Nach ca. 12 Zügen sieht die Partie äußerst merkwürdig aus. Inga opfert in der Eröffnung eine Qualität für Druckspiel gegen den schwarzen König in der Mitte. Nach 30 Zügen erreicht sie eine gewinnträchtige Stellung. Leider gelingt es ihr aber nicht, die zähe Verteidigung ihrer Gegnerin zu durchbrechen. Nach langen 60 Zügen stellt Inga ihre Gewinnversuche ein und akzeptiert die Punkteteilung. Damit bleibt ihr zwar der dritte Sieg in Folge verwehrt, aber es ist ein schöner Abschluss dieser WM. Insgesamt gewinnt Inga drei Partien, spielt viermal Remise und muss vier Partien abgeben. Eine gute Leistung, mit der wir sehr zufrieden sind! Die Abschlussveranstaltung empfinden wir als recht lieblos, wieder viele Reden und Lobhudelei, bis endlich die Pokale überreicht werden, mehr oder weniger feierlich.

23.11.09

Abflug Richtung Heimat, die Nacht endet um 1:15 Uhr, eine dreiviertel Stunde später sitzen wir im Bus zum Flughafen, nicht ohne eine Hotelrundreise durch die halbe Türkei zu genießen, um andere Mitflieger einzusammeln. Wir sind um 4 Uhr unausgeschlafen und halb verhungert auf dem Flughafen, damit wir zwei Stunden später den Flieger betreten können.

Fazit: Dreizehn Tage, die wie im Flug vergangen sind, Erfahrungen, die wir nicht missen möchten, Kontakte, die wir pflegen werden und die Hoffnung bei der nächsten WM wieder dabei zu sein.

Içten Selamlarl

Wolfgang Krüger

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